Über Medikationsfehler reden – Menschenleben retten
Ärzt:innen, Politiker:innen, Apotheker:innen, Patient:innen und Angehörige berichten in der Apotheken Umschau offen über Fehler rund um die Einnahme von Medikamenten, die ihnen passiert sind. Sie zeigen, wie aus solchen Fehlern gelernt werden kann. Mit diesem Bekenntnis beginnt eine Kampagne des Wort & Bild Verlags für eine offene Fehlerkultur. Zum Auftakt lädt der Verlag zu einem interprofessionellen Podium in Berlin ein.
Medikationsfehler passieren in Deutschland jeden Tag, teils mit fatalen Folgen. Jedes Jahr sterben Menschen durch falsch verordnete, falsch dosierte oder falsch eingenommene Medikamente. In Zahlen heißt das: Rund 250.000 Menschen werden aufgrund vermeidbarer Medikationsfehler in Deutschland jährlich ins Krankenhaus eingeliefert, etwa 2.500 Menschen sterben hochgerechnet aus Daten aus England. Die Kosten: rund eine Milliarde Euro jährlich.
„Bei der Zahl der Todesopfer aufgrund vermeidbarer Medikationsfehler bewegen wir uns im Bereich der Verkehrstoten“, verdeutlicht Prof. Dr. Kai Kolpatzik, Chief Scientific Officer des Wort & Bild Verlags. „Auch in der Medizin müssen wir deshalb dahin kommen, über Fehler zu reden, aus Fehlern zu lernen und sie zu enttabuisieren – sowohl bei den Gesundheitsberufen als auch bei Patientinnen, Patienten und ihren Angehörigen. In Deutschland wird noch viel zu sehr der Schuldige gesucht, statt die Rahmenbedingungen zu analysieren, die einen Fehler überhaupt erst möglich gemacht haben.“
Um Fehler zu vermeiden und die Patientensicherheit zu erhöhen, braucht Deutschland eine Präventionsstrategie und eine offene Fehlerkultur. Eine zentrale Säule zur Prävention gegen Medikationsfehler sind hierbei die Apotheken vor Ort.
Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V.:
„In Deutschland gibt es rund 17.500 Apotheken, täglich werden etwa drei Millionen Menschen in den Apotheken vor Ort beraten. Viele unserer Leistungen bei Medikationsfehlern fallen den Patientinnen und Patienten gar nicht auf. Zum Beispiel klären wir Fragen mit der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt in aller Regel im Hintergrund, nicht am Handverkaufstisch. Nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums soll es künftig Apotheken ohne Apothekerinnen oder Apotheker geben. So würde die Arzneimittel-versorgung trivialisiert und zu einem bloßen Handel ohne Verknüpfung mit einer qualifizierten pharmazeutischen Beratung gemacht. Gegen Schein-Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker wehren wir uns deshalb mit aller Vehemenz – für unsere Patientinnen und Patienten.“
Das Ziel, eine offene Fehlerkultur herzustellen, ist eine große Herausforderung und braucht einen langen Atem. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat hierzu bereits einen großen Beitrag geleistet.
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft:
„Im Jahr 2007 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den ersten ‚Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland‘ ins Leben gerufen und die Koordinierungsgruppe bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) eingerichtet. AMTS hat zum Ziel, Medikationsfehler und damit vermeidbare Risiken der Arzneimitteltherapie zu verhindern bzw. zu verringern. Die AkdÄ leitet seit Beginn dieser Aktionspläne (2007) die Koordinierungsgruppe AMTS und ist an der Umsetzung von Maßnahmen zur Erkennung und Vermeidung von Medikationsfehlern beteiligt. Ein Projekt im Aktionsplan verdeutlichte beispielsweise, dass die Analyse von Meldungen über Medikationsfehler zur Verbesserung der Patientensicherheit beitragen kann. Um das Melden von Medikationsfehlern weiter zu stärken, ist jedoch der Aufbau einer positiven Fehlerkultur essenziell.“
In dieser multidisziplinären Zusammenarbeit befinden sich die Pflegefachkräfte vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Settings wie Klinik, Einrichtungen der Langzeitpflege und ambulanter Versorgung vor besonderen Herausforderungen.
Claudia Moll, Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung:
„Fehler passieren! Das kann man leider niemals ganz ausschließen. Aber man sollte aus ihnen lernen. Deshalb ist es besonders wichtig, offen darüber sprechen zu können und gemeinsam im Team zu überlegen, wie Fehler in Zukunft vermieden werden können. Dazu gehört auch, dass die Arbeitsabläufe so gestaltet werden, dass Pflegekräfte zum Beispiel das Stellen von Medikamenten mit Sorgfalt und unter möglichst wenig Druck erledigen können.
Die Vermeidung von Fehlern ist ein Thema, das ganz besonders auf die gute Zusammenarbeit der beteiligten Gesundheitsberufe angewiesen ist. Deshalb ist es so wichtig, die Möglichkeiten zu nutzen, die sich gerade aus dem Gespräch und der Diskussion mit anderen Professionen ergeben! Weil jede Maßnahme zählt, freue ich mich sehr, dass dieses Thema heute die nötige Öffentlichkeit erfährt.“
Bewusstsein schaffen, eine offene Fehlerkultur leben
Dazu will der Wort & Bild Verlag mit seiner Kampagne „Über Medikationsfehler reden“ ab 11. Juli beitragen, die sich an die breite Bevölkerung ebenso wie an Ärzt:innen, Apotheker:innen, Pfleger:innen und Krankenhauspersonal richtet. Die Broschüre „Über Fehler reden“ mit 16 Fehlerberichten kann unter der Domain www.richtig-einnehmen.de heruntergeladen werden.
Darüber hinaus erscheint das Magazin Apotheken Umschau am 15. Juli mit dem ausführlichen Titelthema „Finde die Fehler“: Es umfasst Interviews, Echtfälle, wichtige Informationen zur Arzneimitteltherapie und Medikationsanalyse sowie eine Checkliste im Postkartenformat, um die Medikamenteneinnahme für Patient:innen noch sicherer zu machen. Flankiert wird das Magazin von apotheken-umschau.de mit vielen weiterführenden Infos und Angeboten wie etwa dem „Wechselwirkungs-Check“.
Hören Sie hier ein Interview mit Prof. Dr. Kai Kolpatzik zum Ziel der Kampagne für mehr Patientensicherheit:
Die Broschüre „Über Fehler reden“ und viele weitere hilfreiche Artikel rund um die sichere Einnahme von Medikamenten finden Sie unter www.richtig-einnehmen.de